Mittwoch, 18. November 2009

Nach Mallorca zur Chopin-Herberge, Versailler Diktatfrieden und Weimarer Republik



Kartäuserkloster von Valldemossa, hier verbrachten Fréderic Chopin und seine Lebensgefährtin, die Schriftstellerin George Sand, den Winter 1838/39

CHOPIN
Nicht sehr ergiebig im Gespräch,
Ansichten waren nicht seine Stärke,
Ansichten reden drum herum,
wenn Delacroix Theorien entwickelte,
wurde er unruhig, er seinerseits konnte
die Notturnos nicht begründen.
Schwacher Liebhaber;
Schatten in Nohant,
wo George Sands Kinder
keine erzieherischen Ratschläge
von ihm annahmen.
Brustkrank in jener Form
mit Blutungen und Narbenbildung,
die sich lange hinzieht;
stiller Tod
im Gegensatz zu einem
mit Schmerzparoxysmen
oder durch Gewehrsalven:
Man rückte den Flügel (Erard) an die Tür
und Delphine Potocka
sang ihm in der letzten Stunde
ein Veilchenlied.
Nach England reiste er mit drei Flügeln:
Pleyel, Erard, Broadwood,
spielte für zwanzig Guineen abends
eine Viertelstunde
bei Rothschilds, Wellingtons, im Strafford House
und vor zahlreichen Hosenbändern;
verdunkelt von Müdigkeit und Todesnähe
kehrte er heim
auf den Square d'Orleans.
Dann verbrennt er seine Skizzen
und Manuskripte,
nur keine Restbestände, Fragmente, Notizen,
diese verräterischen Einblicke -
sagte zum Schluß:
"Meine Versuche sind nach Maßgabe dessen vollendet,
was mir zu erreichen möglich war."
Spielen sollte jeder Finger
mit der seinem Bau entsprechenden Kraft,
der vierte ist der schwächste
(nur siamesisch zum Mittelfinger).
Wenn er begann, lagen sie
auf e, fis, gis, h, c.
Wer je bestimmte Präludien
von ihm hörte,
sei es in Landhäusern oder
in einem Höhengelände
oder aus offenen Terrassentüren
beispielsweise aus einem Sanatorium,
wird es schwer vergessen.
Nie eine Oper komponiert,
keine Symphonie,
nur diese tragischen Progressionen
aus artistischer Überzeugung
und mit einer kleinen Hand.

Gottfried Benn

- Mal so gesagt: Wenn ich Außenminister von Polen wäre und kein Freund der Deutschen, aber ein Anhänger des polnischen Wohlstands, dann würde ich alle einladen, die Grundstücke in Polen kaufen wollen von verkaufswilligen polnischen Eigentümern und damit einen Strich ziehen unter die Kriegsverbrechen und die Vertreibungsverbrechen der Vergangenheit. Die Rolle Polens 1919 in Versailles würde ich bedauern. Von den Nationalisten aller Schattierungen würde ich mich distanzieren und mich zum Europäer erklären, der rein zufällig in Polen geboren wurde, was ich weder als Mangel noch als Gnade empfände. Frau Steinbach würde ich gerne einmal nach Mallorca zum Kartäuserkloster von Valldemossa einladen.

- Versailler Diktatfrieden und Weimarer Republik
Herr Sarkozy wird Herrn Stuby natürlich beipflichten in seiner einseitigen, dem Élysée-Palast schmeichelnden Auffassung (Leserbrief Stuby FAZ 14.11.09 "Wir sollten mit einigen Legenden aufräumen").
Der Historiker Golo Mann sieht es differenzierter. Er schreibt: " Clemenceau vertrat das ausgeblutete, todtraurige Frankreich. Ihm die Machtposition zu erhalten ... durch hundert ausgeklügelte böse Tricks zu sichern war der all und eine Gedanke des alten Mannes ... Das Produkt dieser sich streitenden Willensmeinungen war widerwärtig; ein dichtmaschiges Netz von Bestimmungen, das 'gerecht' sein sollte und es in vielen Einzelheiten unbestreitbar war, das Ungerechte, von Bosheit, Haß und Übermut Inspirierte aber einließ, wo es nur unter irgendeinem Vorwand geschehen konnte, und zwar in dem Maße, daß das Ganze, aller einzelnen Gerechtigkeit ungeachtet, dann doch als ein ungeheueres Instrument zur Unterdrückung, Ausräuberung und dauernden Beleidigung Deutschlands erschien. " ( Golo Mann, Dt. Geschichte, 10. Kap., Weimar, S. 672ff. ) Immerhin hat die bösartige französische Schikanepolitik seit der Ruhrbesetzung gegenüber der Weimarer Republik die Stimmung für den Aufstieg Hitlers bereitet. Paris gewährte dann Hitler, was sie Stresemann verweigert hatte, selbst die vereinbarte Zollunion zwischen Berlin und Wien in der Weltwirtschaftskrise wurde blockiert.- Man sollte nicht zuviel zurückblicken, aber wenn man es denn unbedingt will, dann doch vielleicht nicht mit Augenbinde.