Mittwoch, 6. Januar 2010

Islamistische Paschtunen, Afghanischer Bürgerkrieg 1989-1996-2002



Winterlicher Wasserweg - an der Dhünn


- ISLAMismus im paschtunischen Pakistan

Verprügelt, verschleppt, vergewaltigt
Es nur ein Kindergeburtstag, zu dem die christliche Familie eingeladen hatte. Doch eine Gruppe wütender bärtiger Männer stürmte vor wenigen Wochen das Haus unweit der Universität von Peshawar. Sie prügelten auf die Gäste ein, zwangen 17 von ihnen in ihre Fahrzeuge und rasten in Richtung Khyber-Pass davon. Einen halben Tag später kamen sie wieder frei. Dabei hatten sie noch Glück: Als ein "Missverständnis" bedauerte die Islamistengruppe Lashkar-e-Islam die Entführung; man habe geglaubt, es habe sich um eine "vulgäre" Veranstaltung von Muslimen gehandelt. Stammesführer und die Regierung in Islamabad hatten sich für die Freilassung der Christen eingesetzt.
In der pakistanischen Northwest Frontier Province (NWFP) unweit der Grenze zu Afghanistan führen sich die militanten Muslime wie die wahren Herrscher auf. Auch mit einer weiteren Militäroffensive gelingt es der pakistanischen Regierung nicht, sie in die Schranken zu weisen. In Peshawar trifft der Zorn radikaler Muslime die dort lebenden mehr als 300 christlichen Familien genauso wie Sikhs und säkulare Muslime, deren Frauen sich nicht verschleiern oder gern DVDs kaufen.
Aber auch aus vielen anderen Teilen der Islamischen Republik Pakistan, wo die Bevölkerung zu 96 Prozent aus Muslimen besteht, werden Übergriffe gemeldet: Im Juni auf Hindus aus der Hafenstadt Karachi und zuvor auf mehrere Christen in der Provinz Punjab. In Faisalabad vertrieben Sunniten vor kurzem mehr als 20 Studenten, die der Ahmadiyya-Minderheit angehören, von der medizinischen Hochschule; dieser vom offiziellen Islam ausgegrenzten muslimischen Gruppe gehören zwischen zwei und vier Millionen Menschen an. Die größten Verluste mussten in den vergangenen Jahren jedoch die Schiiten hinnehmen. Sie stellen zwischen zehn und zwanzig Prozent der Bevölkerung. Sunnitische Terroristen griffen sie immer wieder während des Aschura-Fests an. Hindus und Christen klagen zudem darüber, dass sie oft mit brutaler Gewalt gezwungen würden, zum Islam überzutreten: Allein in Sindh berichten Hindu-Organisationen, dass jedes Jahr 15 bis 20 Familien gezwungen würden zu konvertieren - oft aus einer finanziellen Notlage heraus, weil sie hoch verschuldet sind.
Zu sexueller Gewalt kommt es, wenn Mädchen und Frauen zum Übertritt zum Islam gezwungen werden. "Die Jüngsten sind 13 Jahre alt, sie werden entführt, oft vergewaltigt und gezwungen, zum Islam zu konvertieren. Dann werden sie verheiratet", berichtet Joseph Francis, der Gründer der pakistanischen Menschenrechtsorganisation Claas. In einem geheimen Schutzhaus in Lahore versuchen er und seine Mitarbeiter besonders christlichen Mädchen und Frauen zu helfen. "Christen sind die wichtigsten Ziele der Fundamentalisten und der religiösen Parteien", beobachtet Francis, der selbst Christ ist. Ihre Lage habe sich in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert. Seit den Terroranschlägen vom "11. September" bekomme die kleine christliche Minderheit die tiefe Abneigung der meisten Pakistaner gegen Amerika zu spüren. Kurz nach den Attentaten hatten amerikanisch geführte Truppen im Nachbarland Afghanistan die Taliban vertrieben; eng arbeitet Washington mit dem pakistanischen Präsidenten Musharraf zusammen. Die Christen sehen viele Pakistaner als die Vorhut des Westens. Aber es kam auch schon zu Angriffen auf sie, wenn Israel gegen Palästinenser vorging oder Mohammed-Karikaturen in Dänemark erschienen.
Bei ihren Angriffen auf Nichtmuslime fühlen sich radikale Muslime noch durch das pakistanische Recht gerechtfertigt. "Wer durch geschriebene oder gesprochene Worte, durch sichtbare Zeichen, eine mittelbare oder unmittelbare Unterstellung, versteckte Anspielung oder Andeutung den geheiligten Namen des heiligen Propheten Mohammed besudelt, ist mit dem Tod oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe sowie gegebenenfalls auch durch Verhängung einer Geldbuße zu bestrafen", steht im pakistanischen Blasphemiegesetz. Seit das Gesetz 1986 in Kraft trat, seien mehr als 900 Pakistaner wegen Gotteslästerung angeklagt worden, darunter deutlich mehr Christen, als es ihrem Bevölkerungsanteil von rund zwei Prozent entspreche, heißt es bei der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte in Frankfurt: Obwohl bisher kein Todesurteil vollstreckt worden sei, hätten militante Islamisten mindestens 25 Personen gezielt getötet. Es kam schon vor, dass Mithäftlinge und Gefängniswärter wegen Blasphemievorwürfen Angeklagte umbrachten.
Oft wagen Sicherheitskräfte nicht einzugreifen, und Anwälte wie Richter fürchten selbst Repressionen. Das zeigt zum Beispiel das Schicksal des Christen Younis Masih: Er hatte 2005 in Lahore Muslime, die ein religiöses Fest feierten, zu später Stunde gebeten, leiser zu singen, weil seine Familie um einen Verwandten trauerte. Am nächsten Tag wurde er von einer Gruppe Muslimen überfallen und so lange geschlagen, bis die Angreifer glaubten, er sei tot. Als er die Täter anzeigte, beschuldigten diese ihn, den Propheten Mohammed beleidigt zu haben. Ein Gericht schenkte diesem Vorwurf Glauben und verurteilte ihn zum Tod; dazu zu einer Geldstrafe von mehr als 1000 Euro. Nach Angaben von Amnesty International wurde er seitdem mehrfach im Gefängnis zusammengeschlagen, sein Anwalt überlebte nur knapp einen Anschlag.
Immer wieder sind die Blasphemievorwürfe und die vagen Formulierungen des Paragraphen jedoch nur ein Vorwand für weltliche Motive. Sie würden vorgeschoben, um religiöse Minderheiten zu drangsalieren und politisch zu verfolgen, berichtet etwa Amnesty International. In Chack Chattah in der Provinz Punjab lehnte etwa Ende 2007 der Arzt Robin Sardar Bahin den Wunsch eines Schuhhändlers ab, vor dem von ihm geleiteten Krankenhaus einen Verkaufsstand einzurichten. Dieser warf dem christlichen Leiter der Klinik daraufhin vor, den Propheten Mohammed beleidigt zu haben. Der Arzt ist nach Angaben der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte weiter in Haft.
Die neue Regierung unter Ministerpräsident Gilani hat wie zuvor schon Präsident Musharraf zwar versprochen, mehr für die Minderheiten zu tun, aber es ist kaum etwas geschehen. "Stattdessen verhandelt die Regierung mit Fanatikern, die Christen und andere angreifen", beklagt Menschenrechtler Francis. Erst vor wenigen Tagen schlossen die regionalen Behörden eine Art Stillhalteabkommen mit der Islamistengruppe Lashkar-e-Islam, die im Juni die Christen entführt hatte. In der pakistanischen Presse wurde danach darüber diskutiert, wohin sich das Land entwickelt hat - zum Unguten, wie etwa der Leitartikler in der Tageszeitung "The News" schreibt: "Wenn in Pakistan die dynamische Gesellschaft wieder entstehen soll, die hier einst existierte und in der alle religiösen Gruppen ihre Rolle spielen können, muss die Regierung alles tun, um die diskriminierenden Gesetze zu beseitigen, und Nichtmuslime zu wirklich gleichberechtigten Staatsbürgern machen."
Faz 25. Juli 2008
/// Wie hier im paschtunischen Pakistan geht es auch in Afghanistan zu. Zu Zeiten der Taliban-Diktatur war das aber sehr viel schlimmer, die Taliban führten einen täglichen mörderischen Krieg gegen die Zivilbevölkerung und bildeten in militärischen Trainingslagern Kämpfer für den weltweiten "Heiligen Krieg" aus, siehe New Yorker Anschlag 2001.

- Afghanischer Bürgerkrieg 1989-1996-2002
"Ende und Folgen des Konflikts:
Die Folgen des Bürgerkrieges waren über eine Million Tote und ein nicht enden wollender Flüchtlingsstrom, der bis zum heutigen Zeitpunkt 2002 anhält. Damit war dies einer der blutigsten Bürgerkriege der Welt. Ein Ende war aufgrund der äußeren Interessen nicht abzusehen, im Gegenteil, die Instabilität der gesamten Region hatte sogar noch weiter zugenommen und das Risiko zusätzlicher Konflikte stieg.
Eine weitere Folge waren die ständigen Menschenrechtsverletzungen im großen Stil. Die Frauen waren durch Gesetze der Taliban völlig entrechtet. Berufsausübung und Schulbesuch waren verboten, völlige Verschleierung und Ausgang nur in männlicher Begleitung waren vorgeschrieben. Da Männer nach den Gesetzen der Taliban weibliche Körper nicht ansehen durften, konnten Frauen in Krankenhäusern mit ausschließlich männlichem Personal nicht behandelt und auch nicht entbunden werden. Den Männern wurde bei Gefängnisstrafe befohlen, sich lange Bärte wachsen zu lassen. Tanz und Musik waren verboten. Hungertod aufgrund der Erwerbslosigkeit oder Tod durch ausbleibende ärztliche Hilfe waren die Folgen.
Nach jahrelangem Krieg lag Afghanistan dann wirtschaftlich völlig am Boden. Straßen und Produktionsstätten, Schulen und Krankenhäuser, Dörfer und Städte waren zerstört.
Die unterschiedlichen Auffasssungen für ein geordnetes Zusammenleben, die unter dem Taliban-Regime und vor allem durch das Taliban-Regime ins Extreme auseinanderdrifteten, führten dazu, dass eine selbstständige Konfliktbeilegung der Afghanen nicht möglich war. Durch den Amerikanisch-Afghanischen Konflikt wurde aber das Taliban-Regime gestürtzt und eine langsame Normalisierung der Lebenslage in Afghanistan setzt nun im Jahre 2002 ein. " ( sibilla-egen-schule.de/konflikt/afghanis/afghan1.htm )

- Lit.: Mostafa Danesch, Die Leiden Afghanistans
Rez. FAZ 21. Februar 2003 , Mostafa Danesch: Wer Allahs Wort mißbraucht. Krisenherd islamische Welt. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2002. 317 Seiten, 21,90 [Euro].

- Neue Chance für die Zivilisation
Max Weber, der bedeutende Soziologe, formuliert es sehr prägnant in seinem Vortrag 'Politik als Beruf': "Es ist durchaus wahr und eine ... Grundtatsache aller Geschichte, daß das schließliche Resultat politischen Handelns oft: nein, geradezu regelmäßig, in völlig unadäquatem, oft in geradezu paradoxem Verhältnis zu seinem ursprünglichen Sinn steht." (S. 64f.)- Das gilt stets und überall. Was beim Schachspiel gelingt, ist bei politischem Handeln schwer kalkulierbar. In den zwanziger Jahren blühte Kabul, die deutsche Schule wurde gegründet und erwarb sich einen guten Ruf, der, verbunden mit akademischem Austausch, bis heute nachwirkt. 1996, nach so vielen Putschen, dem sowjetischen Einmarsch und dem alles verheerenden Bürgerkrieg, war Kabul nicht mehr wiederzuerkennen. Die Reislamisierung durch einander in Fanatismus überbietende Gruppen, die sich in mörderische Banden verwandelten und die alles zerschossen und zerbombten, brachte Afghanistan zurück in die Steinzeit. Seit dem Eingreifen der Nato hat sich das Blatt zum Besseren gewendet, die Zivilisation eine neue Chance bekommen. Die Regierung des Genossen Nadschibullah war, man muß angesichts der späteren Bürgerkriegsgreuel sagen: leider, nicht stabil; Nadschibullah wurde gräßlich gemetzelt, seine Leiche verstümmelt und in den Wind gehängt. Das hatte viel mit ausländischer Beeinflussung zu tun, noch mehr aber mit autochthoner Grausamkeit. Auch die Hekmatyar-Banden hätten siegen können. Eine Befriedung des geschundenen Afghanistans ist sehr schwierig, ohne entschlossenen, massiven Einsatz von Waffen aber völlig ausgeschlossen. Nicht nur Hekmatyar wartet auf einen neuen Bürgerkrieg. Komm. auf faz.net
(Todenhöfer)

- Wir reden mal drüber: Alles wäre doch so einfach gewesen: Bevor die Mudschaheddin-Gruppen sich im mehrjährigen Bürgerkrieg 1989-1996 gegenseitig massakrierten und das Land in Schutt und Asche legten, hätte man doch Habermas in das zerstörte Kabul schicken können. Der hätte die sieben verfeindeten Milizen an einen Tisch gesetzt und ihnen seine Diskursethik vorgestellt, praktische Übungen mit Rollenspiel eingeschlossen. Alles wäre gut geworden: die Milizen hätten Habermas ihre MPs in die Hand gedrückt und wären arbeiten gegangen, kein Mitglied eines anderen Stammes wäre mehr erschossen, kein Schiit mehr geköpft, keine Frau mehr gesteinigt worden. Heute ist es ja noch einfacher geworden, weil nur noch die Taliban da sind. Und Habermas könnte Todenhöfer mitnehmen. Komm. auf faz.net (Todenhöfer)