Freitag, 12. November 2010

Die Schlechten nach Hohenschönhausen oder in die Hölle






"Die Moral hat es mit der wechselseitigen Achtung und Mißachtung unter Menschen zu tun. Sie macht es möglich, bei aller Unsicherheit kräftig zu fühlen und zu handeln. Sie ist zudem ein polemisches und in vielen Hinsichten unsauberes Geschäft. Sie ist deshalb auch für politischen Gebrauch besonders geeignet. Wer moralisiert, will verletzen - so jedenfalls sieht es aus, wenn man sich mit empirischem Interesse das wirkliche Verhalten von Moralisten anschaut."
N. Luhmann, Die Moral der Gesellschaft, S. 371






- "Warum überhaupt moralisch sein?" fragt Kurt Bayertz in seiner letzten Schrift und plädiert für viel Moral, denn das macht sich gut. Alles bleibt aber sehr allgemein und erreicht so nicht das tägliche Handeln realer Menschen. Auch seinen seinerzeitigen Doktorvater Jörg Sandkühler treibt es moralisch um, er gab gerade den Sammelband "Recht und Moral" heraus, von Michael Pawlik besprochen (FAZ 10.11.10). Sandkühler darin: "Der Pluralismus führt zu Relativismus, zu partikulären Ansprüchen auf meine Wahrheit, auf meine Moral; relativiert wird auch die Geltung von Rechtsnormen: mein Rechtsverständnis gegen deines."

So etwas gab es natürlich nicht in der DKP, der Bayertz und Sandkühler angehörten (wohl nicht mehr). In der DKP und ihrer großen Schwester SED, die die DKP finanzierte, herrschte Klarheit, die in Moskau verkündet und bis Düsseldorf und Bremen heruntergereicht wurde. Auf Flüchtlinge aus dem Honecker-Gefängnisland wurde geschossen, ohne Relativismus. Wer die SED kritisierte, wurde verhaftet und landete ohne Wenn und Aber im Gefängnis, wenn nicht sogar im noch schlimmeren Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen. Da fragte Kurt Bayertz nicht "Warum überhaupt moralisch sein?", da vertrat er den fraglosen Stasi-Standpunkt, und von Sandkühler ist nicht bekannt, daß er sich gegen die Mauermordmoral seiner Genossen gewandt hätte. Mit dem Zusammenbruch der SED-Diktatur wandelte sich viel und aus manchen Marxisten-Leninisten wurden Moralisten. Immer noch gegen das "Kapital" und die "Konzerne", aber nicht mehr mit dem Säbel, sondern mit Moralisterei. Das ist unverfänglicher und lenkt den Blick wie von selbst auf die Balken in anderer Leute Augen.