Donnerstag, 30. Juni 2011

Was lächelt die so unmarkgräflich?





Der Naumburger Meister hat keine Xanthippe aus ihr gemacht: Reglindis

(Bild Linsengericht / Wiki.)



“Gestaltung, Umgestaltung, des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung”, heißt es im Faust und das könnte als Motto auch - wo gälte es nicht? - über der Kunstgeschichte stehen.
Was umgestaltet wird, ist aber recht unterschiedlich und nicht belanglos.
Ob Aiwauwau performativ eine Ming-Vase zerstört oder der NAUMBURGER MEISTER, dessen Name unbekannt ist, Personenskulpturen schafft, das macht großen Unterschied.
Die Alberei mit der Vase spielt mit der provokativen Wertvernichtung. Der fränkische Bildhauer gibt dem Betrachter Anschauung des mittelalterlichen Adels, der aber sehr allgemein menschlich und persönlich dargestellt wird. Man sieht im Naumburger Dom die ansteckend freundliche Kaiserin Adelheid, die nette, dicke Reglindis mit ihrem gedankenverlorenen Gatten und die noble (hochnäsige?) Uta mit ihrem brutal wirkenden Nebenmann. Solche Gestaltung wirkt auf den entsprechend disponierten Rezipienten anregend in Richtung einer psychologisch gestimmten Betrachtung und man könnte annehmen, daß hier keimhafte Anfänge der Psychologie im Norden zu finden sind, vermittelt über den Sehsinn. Die Unterschiedlichkeit der Menschen wird ansehbar, eine abstrahierende, kognitive Systematisierung folgt, anknüpfend an die antike Charakterlehre des Galenos.
Da die Psychologie nur im Okzident entsteht und es sie im islamischen Kulturraum bis heute nicht gibt, so ist zu vermuten, daß das islamische Bilderverbot nicht nur eine schlimme Verkrüppelung der Kunstentwicklung bewirkte, sondern auch die einschlägige Wissenschaft unterdrückte und individuelle (Menschen-) Rechte verhinderte, ebenfalls bis heute.
Im christlich-orthodoxen Kulturraum fällt auf, daß sich die bildende Kunst vorwiegend mit Heiligen- und Heldenverehrung (inkl. Zaren) befaßte, und daß diese unentwickelte Anschauung des Menschen korrespondiert mit einer Geringschätzung des Individuums und seiner Rechte. Damit ist auch die Schwäche des Rechtsstaates verbunden östlich von Wien.

Interessant ist, daß der fränkische Bildhauer, der wohl aus dem heutigen Nordfrankreich stammte, Aufträge aus dem östlichen Naumburg bekam. Der innereuropäische Wettbewerb um die beeindruckendsten Bauten und die schönsten Bilder und Skulpturen sorgte, im Verein mit persönlicher Eitelkeit und skrupelloser Verschwendungssucht, für einen innereuropäischen Kulturaustausch. Wobei in der Gotik galt: ex occidente lux.

Aus der Kunst werde Wissenschaft, sie habe dann ihre Aufgabe erfüllt, erwartete Hegel. Ob er meinte, danach gäbe es höchstens noch Post-Kunst?


Gestern wurde in Naumburg eine große Ausstellung „Der Naumburger Meister – Bildhauer und Architekt im Europa der Kathedralen“ eröffnet (bis zum 2. November 2011, bitte Katalog mitbringen!)