Donnerstag, 25. August 2011

So zart schnitt nur ein christliches Schwert




CALVE CALVINIANE (Paß auf, Calvinist) ,
stand auf dem lutherischen Richtschwert, mit dem Nikolaus Krell (1550-1601) höchstchristlich ermordet wurde



<< Es muß heissen: "...die eine breite Wissenschafts-, Technik- und Wohlstandsentwicklung hervorgerufen hat."
Atheistische Gesellschaften jedenfalls haben zur Zerstörung beigetragen. Zur Zerstörung des Fortschritts der christlichen Errungenschaften. >> (Komm. Blog 18.8.11)

Herophilos (325–255 v. Seneca) sezierte im hellenistischen Alexandria Leichen. Das war innovativ und wissenschaftlich wichtig. Das Christentum verbot diese Forschung bis in die Neuzeit. Erst mit dem Wiederanknüpfen an die Antike in der Renaissance konnten wissenschaftlich-empirisch eingestellte Ärzte wie Andreas Vesalius ihrer Arbeit unbehelligt vom Christentum nachgehen.
Der Kommentator Hedelfinger wird das wohl nicht als christliche Errungenschaft werten wollen. Sicher auch nicht die Verfolgungen von sogenannten Ketzern, die schon in der christlichen Frühkirche begannen und ebenfalls bis in die Neuzeit anhielten, ja, sich zu Konfessionskriegen auswuchsen. Ein fähiger und weitsichtiger Politiker wie Nikolaus Krell wurde durch engstirnige Lutheraner amtlich ermordet, weil ihm Sympathie für den Kalvinismus nachgesagt wurde.
So wie Ethik polemogen ist, kriegstreibend, so verhält es sich auch mit den Religionen, das Christentum war genau so bluttriefend wie es der Islam noch immer ist. Es hat nur früher, unter dem Druck der Aufklärung, Vernunft annehmen müssen und sich zur pluralistischen Zivilisation bequemen müssen. Nicht freiwillig legten die Kleriker und Fürstbischöfe das Schwert aus der Hand.
Auch sonst kann nirgendwo von echten christlichen Errungenschaften die Rede sein, die "atheistische Gesellschaften" zerstört haben könnten.
"Atheistische Gesellschaften" , damit meint Hedelfinger wohl die sozialistischen Diktaturen, die in der Nachfolge der kommunistischen christlichen Frühschriften "Sonnenstaat" (Campanella) und "Utopia" (Morus) die späteren Sozialisten von St. Simon bis Lenin beeinflußten. Sie wurden überwiegend Atheisten, und, wie alle Gläubigen, sobald sie selbst nicht mehr verfolgt werden, verfolgerisch. Die kommunistischen Parteien, so atheistisch, wie sie waren, kopierten das katholische Papsttum und schufen eine Inquisition, die wie die päpstliche Inquisition, alle Andersmeinenden, alle Abweichler verfolgte.
Von ihren christlichen Vätern hatten sie auch die Abneigung für ökonomisches Handeln und seine Folgen geerbt. Es sollte Schluss sein mit Wucher und Ausbeutung. Durch ein auch ökonomisches Papsttum, das alles wirtschaftliche Handeln durch Politbüro (Kurie) und Fachminister (Bischöfe) dirigierte.
Eine solch anmaßende Diktatur konnte nur früher oder später kollabieren, wie auch die Herrschaftsanmaßungen des Christentums sich nicht aufrechterhalten ließen.
Mit dem Atheismus als solchem hat das realsozialistische Polit-Papsttum aber wenig zu tun. Zwar gibt es anmaßende und eifernde Atheisten, sie haben aber ihre gläubigen Eierschalen nur noch nicht ganz verloren. Reifer Atheismus ist skeptisch und bezieht sich eher auf den antiken Skeptizismus der Pyrrhon und Sextus Empiricus. Spätere Namen wären Montaigne, Hume, Kant, Lichtenberg, Max Weber, Luhmann, Wolf Singer. Der Gegenwartsmensch in den Industrieländern denkt spontan atheistisch im weitesten Sinne - eine Rückverzauberung der Welt steht nicht an.
Wesentlich erscheint eigentlich nur, daß alle Parteien nicht eifern und geifern, daß sie nicht-militaristisch sind, mögen sie nun an einen Gott glauben oder nicht oder eine der zahllosen Zwischenmöglichkeiten für sich erwählt haben.