Samstag, 21. Dezember 2013

Der Herr der dicken Kabel


Elisabeth (1923-2011) und Friedhelm Seiffe (1921-17.12.2013) 2005 im Garten in Neschen anläßlich einer sommerlichen Sitzung unseres Literaturkreises



Kabelbauer. Bei Felten und Guillaume. Der Firma, die mit Schiffs-Seilen in Köln begann und dann die Welt elektrisch verkabelte. Dort bekam Friedhelm Seiffe nach einem Studium der Elektrotechnik im Außendienst eine Stelle, was bei längerer Dauer wahrscheinlich zur frühen Insolvenz von F&G geführt hätte, denn Seiffe war kein Verkäufer. 
Er war, so stellte er sich immer gerne vor - Elektriker. Damit löste er oft eine kleine Verlegenheit aus, denn das überraschte manchen so, daß ihm vor Staunen nichts an Erwiderung einfiel. Seiffe genoß das, seine Frau sprang dann moderierend ein und schob den akademischen Elektrostatus nach. Er provozierte gern ein bißchen, wobei ihm Humor und Schlagfertigkeit zur Verfügung standen.

Ich lernte ihn in einem nachbarschaftlichen politischen Gesprächskreis kennen, in dem auch stramme Idealisten mit einem Menschenbild aus dem Siebten Himmel verkehrten. Als es einmal um irgendeine Schmierenkomödie ging und der moralische Zeigefinger kreiste, warf ich ein, daß doch jeder Vierte ein kleiner oder großer Betrüger sei, worauf Seiffe heiter in der Runde durchzählte. Mit ihm ließ sich auch der mit Moralin abgefüllte protestantisch-ostpreußische Chemiker ertragen, dem es dauernd und stets um das Wohl der ganzen Welt ging (er war nämlich als Sozialist in der NSDAP gewesen).

Seiffe baute gute Kabel und beobachtete die Zeitläufte. Man konnte viel an erlebter Geschichte von ihm hören und lernen, und seine (gedeihende) Familie hatte in ihm ein Vorbild an Arbeitsamkeit, Stabilität und Rationalität. Was bekanntlich nicht alle Tage vorkommt.

Er war Jahrgang 1921. Und da kann man nicht umhin, neben den angenehmen persönlichen Eigenschaften auch dieses biblische Alter anzusprechen, das bei dieser Generation immer wieder erstaunt. Seiffe fror Stein und Bein im Militärdienst, wie er gelegentlich anmerkte, wurde verwundet, überstand all das und die Not der Nachkriegszeit und erreichte ein langes, produktives Leben. 
Er war eine Bereicherung.