Montag, 24. November 2014

Ach, Frans

Ulf “Dimberg wies nach, dass wir uns nicht entscheiden, empathisch zu sein, sondern dass wir es einfach sind ... Es begann vermutlich mit der Entstehung der Brutpflege … Da wir von einer langen Linie von Müttern abstammen, ... sollten wir über Geschlechterdifferenzen bei menschlicher Empathe nicht überrascht sein...Oft konzentrieren wir uns auf das Gesicht, aber natürlich drückt der ganze Körper Gefühle aus ... Die Körpersprache eines anderen wirkt auf unseren Körper ein und erzeugt dann ein emotionales Echo …”

FRANS DE WAAL, DAS PRINZIP EMPATHIE

Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können

S.93, 94,111,112

Zu dem Buch hat Delacroix ein opulentes Gemälde (“Der Tod des Sardanapal”) beigesteueuert:

Delacroix_-_La_Mort_de_Sardanapale_(1827).jpg

Und in der FAZ v. 17.3.99 (Natur und Wissenschaft) war zu lesen: "Hartnäckige Gefühlskälte
Viele schwierige Kinder bleiben schwierig / Biologische Gründe? 17.3.99 FAZ gen./ Studie Paul Hastings und Carolyn Zahn-Wexler

Schwierige Kinder werden nicht selten zu schwierigen Erwachsenen. Schon im Vorschulalter zeigen manche Jungen ein aggressives, uneinfühlsames Verhalten, das viele von ihnen ein Leben lang nicht ablegen. Auffallend impulsive und aggressive Kindergartenkinder tragen möglicherweise sogar ein erhöhtes Risiko, als Erwachsene mit dem Strafgesetz in Berührung zu kommen. Indizien für diese seit einigen Jahren diskutierte "Risikothese" lieferte jüngst eine Untersuchung der Psychologen Paul Hastings und Carolyn Zahn-Wexler vom amerikanischen National Institute of Mental Health in Bethesda. Sie zeigt, daß sich "antisoziales" Verhalten bei Kindern oft nicht verliert, sondern im Lauf der Entwicklung sogar noch verfestigen kann.

In die Studie wurden 82 Kinder im Alter von vier bis fünf Jahren einbezogen. Die Forscher legten deren Müttern und Vorschullehrern einen Fragebogen vor, der Aufschluß über aggressive Verhaltensstörungen gibt. Anhand der Ergebnisse teilten sie die Kinder daraufhin in Gruppen mit hohem, mittlerem und niedrigem Entwicklungsrisiko ein. Anschließend stellten die beiden Psychologen Mitleid und Einfühlungsvermögen der Kinder auf eine experimentelle Probe. Sie zeigten den Kleinen bewegende Videogeschichten eines gleichaltrigen Kindes, dem der Hund davonläuft und dessen heißgeliebter Großvater schwer erkrankt. Das Ausmaß der dadurch hervorgerufenen Emotionen lasen die Forscher an Herzfrequenz, Schweißabsonderung und anderen Reaktionen des autonomen Nervensystems ab.

Das Einfühlungsvermögen der Kinder wurde in einem weiteren Versuchsdurchgang auf die Probe gestellt. Sowohl der Versuchsleiter als auch die Mutter simulierten an unterschiedlichen Tagen einen kleinen Laborunfall, bei dem sie sich aus der Perspektive des Kindes hätten verletzen können. Die aggressiven Jungen aus der Hochrisikogruppe - nicht aber die Mädchen, die generell einfühlsamer waren - verhielten sich in diesem Empathietest auffällig. Zwar ließ sie der Unfall nicht gleichgültig, doch neigten sie zu herzlosen Reaktionen, machten sich über das Opfer lustig, verhöhnten oder beschimpften es sogar.

Als die Tests zwei Jahre später wiederholt wurden, hatte sich bei einem Teil dieser Jungen das gefühlskalte Verhalten verfestigt. Sowohl im Experiment als auch in den Einschätzungen der Eltern und Lehrer fielen sie durch geringes Einfühlungsvermögen, mangelndes Verantwortungsbewußtsein und schwieriges Sozialverhalten auf. Sogar in ihren Eigenbeurteilungen beschrieben sich die Grundschüler auf ähnliche Weise. Eine Nachbefragung der Lehrer nach abermals zwei Jahren ergab, daß dieses Persönlichkeitsmerkmal bei vielen Kindern stabil blieb. Etliche der schwierigen Vorschulkinder waren auch mit neun Jahren noch schwierig. Auf einem sich verfestigenden Vorurteil kann diese Einschätzung nicht beruhen, denn die Lehrer hatten zwischenzeitlich gewechselt.

Nach Ansicht von Hastings und Zahn-Wexler läßt sich das wenig einfühlsame Wesen der schwierigen Kinder zum Teil mit ihrer biologischen Konstitution erklären. Sie schließen dies aus den vegetativen Reaktionen beim Betrachten der Videofilme. Kinder, die bei den traurigen Geschichten physiologisch stark angesprochen wurden, zeigten auch bei dem simulierten Unfall mehr Mitgefühl. Sie schienen generell empfindsamer zu sein. Wenn manche Kinder fiktives, aber auch wirkliches Leid anderer kalt läßt, so könnte dies nach Ansicht der Psychologen darauf hindeuten, daß es ihnen an physiologischer Aktivierung und damit an der körperlichen Grundlage für Mitleid mangelt.

Es fanden sich allerdings auch Hinweise dafür, daß ein Mangel an Empathie kein unabänderliches Schicksal sein muß. Möglicherweise können Kinder dieses emotionale Defizit bei geeigneter Erziehung nach und nach kompensieren. Die Forscher ermittelten nämlich einen Zusammenhang zwischen dem Erziehungsstil der Mutter zur Zeit der ersten Untersuchung und der Einfühlungsbereitschaft ihres Kindes zwei Jahre später. Als günstig erwies es sich, wenn Mütter bestimmt und fordernd mit ihren Sprößlingen umgingen, ihnen bei unangemessenem Betragen ins Gewissen redeten und sie in rationaler Weise darauf aufmerksam machten, was sie mit ihrem Tun bei anderen anrichteten. Ein feindseliger Erziehungsstil hingegen ging häufig mit abgestumpften, gleichgültigen Reaktionen der Kinder einher."
Weiterführend auch: Hans Jürgen Eysenck, Kriminalität und Persönlichkeit, Dt. 1977 sowie Niels Birbaumer, Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie.