Samstag, 21. Februar 2015

Geschiebe, Gedränge, Finten und Fußangeln









War kein ‘dreckiger, ahnungsloser Köter: Feldmarschall Henry Wilson (1864-1922)(mit Stock für dämliche Zivilisten)

(Bild: en.Wiki.)


Wie in jedem kleinen Betrieb, in jedem Kindergarten und jeder Schule, so geht es auch in größeren Betrieben zu: es werden Seilschaften gebildet, es wird intrigiert, es wird parallel gearbeitet.
„Im Oktober 1911 schickte Wilhelm  Widenmann, der deutsche Marineattache in London, einen alarmierenden Bericht nach Berlin. Britische Marineoffiziere würden, so Widenmann, inzwischen offen zugeben, daß England ‚seine ganze Flotte‘ während der Marokkokrise im Sommer mobilisiert habe. England habe, so schien es, ‚nur auf das Signal von französischer Seite (gewartet), um über Deutschland herzufallen‘. Und zu allem Überfluß sei nun ‚ein skrupelloser, ehrgeiziger und unzuverlässiger Demagoge wie Winston Churchill‘ der neue Erste Lord der Admiralität. Aus diesem Grund müsse sich Deutschland auf die Möglichkeit eines unprovozierten Angriffes gefaßt machen, nach dem Muster der britischen Vernichtung der dänischen Flotte in Kopenhagen im Jahr 1807.“
(Clark, Schlafwandler, S. 292)
Frankreich und England waren die Champions, und sie gedachten das zu bleiben. Nach dieser Logik verfuhren die beiden Mächte auch in der Suezkrise 1956, doch durchkreuzten Washington und Moskau das Unternehmen. Paris und London waren nach zwei ziemlich idiotischen Kriegen, die eng miteinander zusammenhingen, nur noch Papiertiger. Gleichzeitig, 1956, ließ Moskau in Budapest unbehelligt die Panzer rollen und schlug den ungarischen Volksaufstand blutig nieder. Churchill und Roosevelt hatten, ungewollt und ziemlich ahnungslos, Moskau zur Supermacht promoviert.
London lernte seine Lektion, wenig amüsiert, aber das chauvinistische Frankreich führte noch seinen Algerienkrieg fort bis 1962.-
Welche Fraktionen sich in den Staatsmaschinen als „Falken“ oder „Tauben“ durchsetzen werden, ist unkalkulierbar. Von innen, wie noch mehr von außen. Man weiß es erst hinterher. Als Generallinie kann aber gelten, sich möglichst defensiv zu verhalten, denn Krieg läßt sich nur mit den Militärs führen, die ihre eigene, eigenwillige Logik besitzen. Wie der britische Generalmajor, der dann Feldmarschall wurde.
„Henry Wilson handelte nicht einfach nur auf Anweisungen hin; er hatte seine eigenen Anschauungen zur militärischen Rolle Großbritanniens bei einem künftigen kontinentalen Krieg und forderte nachdrücklich eine militärische Konfrontation. Wie seine Kollegen auf dem Kontinent verachtete auch Wilson zivile Politiker und hielt sie für völlig unfähig, militärische Angelegenheiten zu begreifen. Sir Edward Grey sei, schrieb er in sein Tagebuch, ‚ein ignoranter, eitler und schwacher Mann, völlig ungeeignet für den Posten des Außenministers eines beliebigen Landes, das größer als Portugal ist‘. Was das übrige liberale Kabinett anging, so waren sie nicht mehr als ‚dreckige, ahnungslose Köter‘.“     
(Clark, Schlafwandler, S. 294)